Die klassische Mythologie, auch griechisch-römische Mythologie genannt, ist die Gesamtheit der Mythen der antiken Griechen und Römer und deren Studium. Die klassische Mythologie gehört neben der Philosophie und dem politischen Denken zu den wichtigsten Überbleibseln der klassischen Antike in der späteren, auch modernen westlichen Kultur.
Inhalt
Noch während der römischen Eroberung Griechenlands in den letzten beiden Jahrhunderten vor der gemeinsamen Zeitrechnung und noch Jahrhunderte danach übernahmen die Römer, die bereits ihre eigenen Götter hatten, viele mythische Erzählungen direkt von den Griechen, behielten aber ihre eigenen römischen (lateinischen) Namen für die Götter bei. Infolgedessen wurden die Handlungen vieler römischer und griechischer Gottheiten in den Erzählungen und der Literatur der modernen westlichen Kultur gleichwertig. So wurde beispielsweise der römische Himmelsgott Jupiter mit seinem griechischen Gegenstück Zeus gleichgesetzt, die römische Fruchtbarkeitsgöttin Venus mit der griechischen Göttin Aphrodite und der römische Meeresgott Neptun mit dem griechischen Gott Poseidon.
Interpretatio Romana
Der Ausdruck Interpretatione Romana (lateinisch: „In römischen Begriffen ausgedrückt“) wurde erstmals von Tacitus in seinem Buch "Germania" verwendet.
Es ist der römische Brauch, die Götter anderer Völker mit den Namen der römischen Götter zu bezeichnen. Ein bekanntes Beispiel ist die Gleichsetzung von römischen und griechischen Göttern, aber das Gleiche wurde auch mit Gottheiten aus anderen Mythologien gemacht.
Der Stammbaum der griechischen und römischen Götter (lateinische Namen in Klammern). Auf Pfeile und Linien wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. Statt dessen wurden Farben und räumliche Gruppierungen verwendet.
Die 12 römisch-griechischen "Götter-Paare" im Überblick:
Griechisch | Römisch | Funktion |
---|---|---|
Zeus | Jupiter | Gott des Himmels und Göttervater |
Hera | Juno | Göttin der Frauen und Gemahlin von Zeus |
Poseidon | Neptun | Gott der Meere und Pferde |
Athene | Minerva | Göttin der Weisheit |
Ares | Mars | Gott des Krieges |
Aphrodite | Venus | Göttin der Liebe und der Schönheit |
Apollon | Apollo | Gott der Sonne und der Künste |
Artemis | Diana | Göttin der Jagd und des Mondes |
Hephaistos | Vulcanus | Gott des Feuers und der Vulkane |
Hestia | Vesta | Göttin des Herdfeuers und der Familie |
Hermes | Merkur | Gott der Reisenden und Götterbote |
Demeter | Ceres | Göttin der Fruchtbarkeit |
Noch in der hellenistischen Periode des griechischen Einflusses und vor allem während der römischen Eroberung Griechenlands identifizierten die Römer ihre eigenen Götter mit denen der Griechen, behielten ihre eigenen römischen Namen bei, übernahmen aber die griechischen Geschichten, die über sie erzählt wurden (siehe "interpretatio graeca"), und importierten andere Mythen, für die sie kein Gegenstück hatten. So sind beispielsweise der griechische Gott Ares und der italische Gott Mars zwar beide Kriegsgötter, doch die Rolle der beiden in ihrer Gesellschaft und deren religiöse Praktiken unterschieden sich oft deutlich voneinander; doch in der Literatur und der römischen Kunst deuteten die Römer die Geschichten über Ares unter dem Namen Mars um.
Die literarische Sammlung griechisch-römischer Mythen mit dem größten Einfluss auf die spätere westliche Kultur waren die "Metamorphosen" des augusteischen Dichters Ovid (43 v. Chr.- 17 n. Chr.).
Liste Griechischer & römischer Götter
Eine Liste der wichtigsten Götter des antiken Griechenlands und ihrer jeweiligen römischen Pendants. Neben den olympischen (Haupt-) Gottheiten werden auch zahlreiche weitere bekannte Götter kurz vorgestellt – inklusive ihrer Abstammung, Symbolen, etc.
Legende (Erklärung der Kategorie siehe unten): C = Consentes / O = Olympisch / S = Sonstige / T = Titanen / U = Ursprünglich / V = Vorolympisch
Griechisch | Römisch | Funktion | Eltern | K. | Attribute |
---|---|---|---|---|---|
Zeus | Jupiter | Himmels- und Wettergott, Oberhaupt der olympischen Götter | Kronos & Rhea | C | Blitze, Donnerkeil, Eiche, Adler |
Hera | Juno | Göttin der Ehe und Geburt, Schwester & Gemahlin des Zeus, Oberste Göttin | Kronos & Rhea | C | Diadem; Zepter, Zweig; Pfau |
Demeter | Ceres | Göttin der Fruchtbarkeit, des Ackerbaus und Getreides | Kronos & Rhea | C | Getreideähren; Füllhorn mit Früchten |
Hestia | Vesta | Göttin des häuslichen Friedens, des Herdes & Feuers; Staatsgöttin Roms | Kronos & Rhea | C | Herd, Kissen, Stola |
Poseidon | Neptun | Gott des Meeres, der Erdbeben, der Pferde | Kronos & Rhea | C | Dreizack; wildes Aussehen, Delphin |
Ares | Mars | Gott des Krieges, des Blutbades und Massakers | Zeus & Hera | C | Bewaffnet (Schwert, etc.), Rüstung |
Hephaistos | Vulcanus | Gott des Feuers, Schmied der Götter | Zeus & Hera | C | Feuer, Schmiedekunst, Waffen, Hammer |
Aphrodite | Venus | Göttin der Liebe, Schönheit und Sinnlichkeit | Zeus & Dione (oder: Schaum-geborene) | C | Taube, Apfel (des Paris); Spiegel |
Athene | Minerva | Göttin der Weisheit, der Künste, des Handwerks, der Strategie und des Kriegs- | Zeus & Metis | C | Helm, Lanze, Schild, Ölbaum, Eule |
Apollon | Apollo | Gott des Lichts, der Weissagung, der Künste, der Heilkunst, des Frühlings, sowie der sittlichen Reinheit & Mäßigung | Zeus & Leto | C | Pfeil und Bogen; Köcher; Leier (Kithara); Lorbeer Efeuranken |
Artemis | Diana | Göttin der Jagd, des Mondes und der Geburt, | Zeus & Leto | C | Pfeil und Bogen, Rehe |
Hermes | Mercur | Gott des Marktes und des Handels sowie der Diebe, Schutzpatron der Wissenschaft und Erfindung. Götterbote | Zeus & Maia | C | Flügelschuhe; Stab |
Hades | Pluto | Gott der Unterwelt; Totengott | Kronos & Rhea | O | Thron, Krone, Hund, Totenkopf |
Hebe | Juventas | Göttin der Jugend | Zeus & Hera | O | Krug (Nektar) |
Eileithyia | Lucina | Göttin der Geburt | Zeus & Hera | O | |
Persephone | Proserpina | Toten-, Unterwelt- und Fruchtbarkeitsgöttin | Zeus & Demeter | O | |
Dionysos | Bacchus | Gott des Weines, der Vegetation und der Ekstase | Zeus & Semele | O | Efeu & Reben; Bacchusstab (Thyrsos) |
Herakles | Herkules | Halbgott | Zeus & Alkmene | O | Löwenfell, Keule, Bogen |
Asklepios | Aesculapius | Gott der Heilkunst. | Apollon & Koronis | S | Stab, Schlange, Lorbeer |
Eirene | Pax | Göttin des Friedens und der sittlichen Ordnung. | Zeus & Themis | S | Olivenzweig, Füllhorn, Zepter |
Hekate | Hecata | Göttin der Wegkreuzungen, Jagd, Magie, Spuks | Perses & Asteria | S | Fackel, Dolch, Schlüssel |
Nike | Victoria | Göttin des Sieges | Pallas & Styx | S | Zepter, Lorbeerkranz |
Pan | Faunus | Hirtengott; Gott des Waldes & der Natur | Zeus & Kallisto | S | Flöte |
Tyche | Fortuna | Glücks- und Schicksalsgöttin | Hermes & Aphrodite | S | Füllhorn, Steuerruder, Glücksrad |
Gaia | Tellus, Terra | Göttin und Mutter der Erde | Chaos | U | |
Nyx | Nox | Göttin der Nacht | Chaos | U | Raben |
Eros | Amor / Cupido | Gott der Liebe | Chaos | U | Pfeil und Bogen |
Eos | Aurora | Göttin der Morgenröte | Hyperion & Theia | T | Wagen mit zwei Pferden |
Kronos | Saturn | Gott des Ackerbaus; Anführer der Titanen | Uranos & Gaia | T | Sense, Sichel |
Rhea | Ops | Göttin der Erde & Fruchtbarkeit, Göttermutter & Titanin | Uranos & Gaia | T | Athen, Rhodos, Theben |
Themis | - | Göttin der Gerechtigkeit, Ordnung, Philosophie | Uranos & Gaia | T | |
Atlas | - | Titan der das Himmelsgewölbe stützt | Iapetos & Asia | T | Erdkugel, ausgeprägte Schultern |
Prometheus | - | Feuerbringer, Schöpfer der Menschen aus Lehm? | Iapetos & Klymene | T | Adler, Feuer, Fesseln |
Uranos | Uranus | Gott des Himmels und der Elemente | Erster Sohn der Gaia, der ohne Begattung geboren wurde. | V | |
Thanatos | Mors / Letum | Gott des Todes | Erebos & Nyx | V | |
Aither | Äther | Gott des oberen Himmels (Sitz des Lichts). | Eberos & Nyx | V | |
Geras | Senectus | Gott des (hohen) Alters (Greise) | Eberos & Nyx | V | |
Hypnos | Somnus | Gott des Schlafes | Erebos & Nyx | V | Schlafmohn (Blüten), HaarKranz |
Momos | Querella | Gott des Tadels und der Kritik | Sohn der Nyx | V | Marotte |
Eris | Discordia | Göttin der Zwietracht und des Streites; warf den Zankapfel (Erisapfel) | Tochter der Nyx | V | Apfel der Zwietracht (Zankapfel) |
Nemesis | - | Göttin der Rache, des unverdienten Glücks | Tochter der Nyx | V | Sanduhr, Schwert |
Oizys | Miseria | Göttin des Elends und Jammerns. | Tochter der Nyx | V | |
Philotes | Amicitia | Göttin der Freundschaft | Tochter der Nyx | V | |
Selene | Luna | Göttin des Mondes und der Zauberkunst | Hyperion & Theia | V | Wagen mit zwei Pferden, Fackel, (Halb)-Mond |
Helios | Sol | Sonnengott | Hyperion & Theia | V | Wagen mit 4 Pferden, geflügelt, Strahlenkranz |
Enyo | Bellona | Kriegsgöttin | Ares? & ? | S | Dämonen, Helm Schwert, Speer |
- | Flora | Göttin des Frühlings und der Blumen | - | S | Blüten |
- | Janus | Gott des Anfangs & Endes, der Ein- und Ausgänge | - | S | Januskopf (Symbol der Zwiespältigkeit) |
Priapus | - | Fruchtbarkeitsgott | Dionysos & Aphrodite | S | Phallus |
K = Kategorie
Die Abstammung der einzelnen Götter des Pantheons ist manchmal schwierig zu ermitteln da sich die griechischen Quellen (Hesiod (zwischen 750 – 650 v. Chr.) und Homer(zwischen 820 – 720 v. Chr.)) als auch die römischen (Cicero (106 – 43 v. Chr) und Hyginus (60 v. Chr. – 4 n. Chr.)) untereinander widersprechen und hin und wieder alternative Angaben zu den Stammbäumen der Theogonie machen.
U = Ursprünglich
Der griechischen Schöpfungsgeschichte nach sind aus dem „Chaos“ 5 Gottheiten hervorgegangen. Drei sind in der Liste aufgeführt. Die beiden Gottheiten Erebos (der Gott der Finsternis in der Unterwelt) und Tartaros (die Unterwelt, Ort und Person zugleich) hatten keine so große Bedeutung.
V = Vorolympisch
Die beiden weiblichen ursprünglichen Gottheiten Gaia und Nyx gebaren (mit oder ohne Männer) eine unüberschaubare Zahl von vor-olympischen Gottheiten. Insbesondere Gaia und ihr, ohne Begattung geborener Sohn Uranos, erwiesen sich als sehr fruchtbar: Erinnyen, Kyklopen, Giganten und die Titanen (= T) sind ihre Kinder.
T = Titanen
Die beiden Titanen Kronos und Rhea zeugten den Göttervater Zeus sowie 5 Geschwister: Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon. Kronos hatte, um die Macht zu übernehmen, seinen eigenen Vater mit einer Sichel entmannt, und sich so zum Herrscher gemacht. Aus dem Samen des abgeschnittenen Geschlechtsteils, welches ins Meer fiel, entstand, einer Überlieferung nach (Hesiod), die Göttin Aphrodite. Nach Homer ist Aphrodite allerdings die Tochter des Zeus und der Dione.
Zeus erklärte ebenfalls seinem Vater Kronos den Kampf um ihn zu entthronen. Er und seine Geschwister kämpften vom Olymp aus gegen die Titanen, die sich auf dem Othrys verschanzt hatten.
Als der Kampf nach zehn Jahren noch nicht entschieden ist, rät Gaia ihm, die im Tartaros gefangen gehaltenen Geschwister der Titanen, die Kyklopen und Hekatoncheiren, zu befreien. Die Titanen danach besiegt und in den Tartaros verbannt, die Hekatoncheiren werden zu deren Wächtern.
Den Göttern wird von Gaia geraten, Zeus zu ihrem Herrscher zu machen. Dieser teilt die Welt in drei Reiche ein: Zeus selbst beherrscht den Himmel, Poseidon das Meer und Hades die Unterwelt.
O = Olympisch
Auch die Griechen kannten diese 12 Götter, aber erweiterten den Kreis der Bewohner des Olymps auf 18 Olympier: die 5 Geschwister des Zeus sowie 10 seiner göttlichen Kinder. Hinzu kamen 2 Kinder des Zeus von sterblichen Frauen, die später in den Olymp aufgenommen wurden.
C = Consentes
Die Dei consentes oder Dii consentes waren eine Gruppe von 12 Göttern (6 weibliche & 6 männliche), die von den Römern besonders verehrt wurden. Sie sind auf Position 1-12 in der obigen Tabelle.
S = Sonstige
Götter die in der Regel von den olympischen Göttern und so nur indirekt von den Urgöttern abstammen.
Bedeutung
Die griechische Mythologie betrifft den Ursprung der Welt, des Leben und die Aktivitäten von Gottheiten, Helden und mythologischen Kreaturen. Sie wurde ursprünglich von minoischen und mykenischen Sängern ab dem 18. Jahrhundert v. Chr. verbreitet. Später wurden sie Teil der mündlichen Tradition von Homers epischen Gedichten, der Ilias und der Odyssee sowie dem Kampf um Troja (um 1200 v. Chr.).
Im Laufe der Jahrhunderte änderten sich die Machtverhältnisse im Mittelmeerraum. Die vormals einflussreichen Staaten Griechenland, Ägypten, Phönizier sowie Karthago verloren zunehmend an Einfluss und das römische Imperium dehnte sich immer weiter aus.
Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. begannen die Römer unter dem Einfluss der Etrusker die Götterwelt der Griechen zu importieren. Beide Mythologien hatten einen großen Einfluss auf die Kultur, Kunst und Literatur der westlichen Zivilisation. Dichter und Künstler von der Antike bis zur Gegenwart haben sich von der davon inspirieren lassen.
Während des Mittelalters und der Renaissance blieb Latein die vorherrschende Sprache in Europa, was vor allem auf den weit verbreiteten Einfluss des Römischen Reiches zurückzuführen ist. In dieser Zeit erschienen die mythologischen Namen fast immer in ihrer lateinischen Form. Im 19. Jahrhundert kam es jedoch zu einer Verschiebung hin zur Verwendung entweder der griechischen oder der römischen Namen. So wurden beispielsweise „Zeus“ und „Jupiter“ in jenem Jahrhundert als Name des höchsten Gottes des klassischen Pantheons weit verbreitet.
Epochen
Das klassische Altertum, auch klassisches Zeitalter oder einfach Antike genannt, ist die Periode der europäischen Kulturgeschichte zwischen dem 8. Jahrhundert v. Chr. und dem 5. Jahrhundert n. Chr., die die miteinander verflochtenen Zivilisationen des antiken Griechenlands und des antiken Roms umfasst, die zusammen als die griechisch-römische Welt bekannt sind und sich auf das Mittelmeerbecken konzentrieren. Es ist die Zeit, in der das antike Griechenland und das antike Rom ihre Blütezeit erlebten und großen Einfluss auf weite Teile Europas, Nordafrikas und Westasiens hatten.
Für die griechisch-römische Antike werden insgesamt 6 Epochen unterschieden, davon 3 für die griechische Geschichte:
- Archaik (ca. 800 bis 500 v. Chr.)
- Klassik (ca. 500 bis 330 v. Chr.) und
- Hellenismus (ca. 330 bis 30 v. Chr.).
Als die Griechen im Verlauf des Hellenismus Teil des Imperium Romanum geworden waren, ging ihre Geschichte in der römischen auf. Diese wird ihrerseits in folgende 3 Epochen unterteilt:
- Republik (ca. 500 bis 27 v. Chr.)
- Kaiserzeit (27 v. Chr. bis 284 n. Chr.) und
- Spätantike (284 bis 641 n. Chr.).
Klassischer Mythos
Die Geschichten und Figuren der griechisch-römischen Mythologie werden nicht als real angesehen, so wie historische oder wissenschaftliche Fakten real sind. Sie sind keine Tatsachenberichte über Ereignisse, die tatsächlich stattgefunden haben. Stattdessen handelt es sich dabei um Mythen, also um eine Sammlung antiker Geschichten, Legenden und Glaubensvorstellungen, die von den Menschen im antiken Griechenland und Rom geschaffen wurden, um Aspekte der Welt um sie herum zu erklären, kulturelle Werte auszudrücken und einen Rahmen für das Verständnis ihrer Existenz zu schaffen. In diesen Mythen geht es oft um Götter, Helden, Göttinnen, Nachkriegserscheinungen und andere übernatürliche Wesen, und sie waren ein wesentlicher Bestandteil der religiösen und kulturellen Praktiken der damaligen Zeit. Auch wenn diese Mythen nicht als historisch genau gelten, sind sie doch von kultureller und literarischer Bedeutung.
Die Mythologie war nicht die einzige Anleihe, die die Römer bei der griechischen Kultur machten. Rom übernahm und adaptierte viele Kategorien der griechischen Kultur: Philosophie, Rhetorik, Geschichte, Literatur und ihre Kunstformen. In diesen und weiteren Bereichen übernahm Rom die griechischen Originale und entwickelte sie für seine eigenen Bedürfnisse weiter. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass der Grund für diese „Entlehnung“ neben vielen anderen Dingen vor allem in der Chronologie der beiden Kulturen liegt.
Kastor und Pollux
Kastor und Pollux (oder Polydeuces) sind in der griechischen und römischen Mythologie Zwillingshalbbrüder, die zusammen als Dioskuren oder Dioskouroi bekannt sind.
Ihre Mutter war Leda, aber sie hatten unterschiedliche Väter: Kastor war der sterbliche Sohn von Tyndareus, dem König von Sparta, während Pollux der göttliche Sohn von Zeus war, der Leda in der Gestalt eines Schwans verführte.
Im Lateinischen sind die Zwillinge auch als Gemini („Zwillinge“) oder Castores sowie als Tyndaridae oder Tyndarids bekannt. Pollux bat Zeus, ihn seine eigene Unsterblichkeit mit seinem Zwilling teilen zu lassen, um sie zusammen zu halten, und sie wurden in das Sternbild Gemini verwandelt. Die beiden galten als Schutzpatrone der Seefahrer, denen sie als Elmsfeuer erschienen. Sie wurden auch mit der Reitkunst in Verbindung gebracht, was ihrer Herkunft von den indoeuropäischen Pferdezwillingen entspricht.
Beide nahmen an der Fahrt des Iason und der Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies teil. Sie begleiteten Herakles auf dem Weg zu den Amazonen.
Das Ende der Dioskuren wurde durch einen von Kastor vom Zaun gebrochenen Streit mit seinem Cousin Idas eingeleitet. Idas erschlug (den sterblichen) Kastor, daraufhin tötete Polydeukes Idas’ Bruder Lynkeus. Zeus griff ein, indem er Idas mit einem Blitz vernichtete. Der – aufgrund seiner Abstammung – unsterbliche Polydeukes trauerte fortan um seinen Bruder. Er bat seinen Vater, er möge ihm die Unsterblichkeit nehmen, um zu seinem Bruder in das Totenreich gehen zu können. Der König der Götter schlägt ihm daraufhin vor, jeweils einen Tag mit Castor im Hades und den nächsten Tag mit ihm auf dem Olymp zu verweilen.
Die Dioskuren sind bereits "tot", als der Trojanische Krieg beginnt. Während der Nekyia (Abstieg in die Unterwelt) begegnet Odysseus ihnen im Hades.
Griechische Mythen
Griechische Mythen waren Erzählungen im Zusammenhang mit der antiken griechischen Religion, in denen es oft um die Handlungen von Göttern und anderen übernatürlichen Wesen sowie von Helden geht, die die menschlichen Grenzen überschreiten. Zu den wichtigsten Quellen für griechische Mythen gehören die homerischen Epen, d. h. die Ilias und die Odyssee, sowie die Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides. Die bekannten Fassungen sind zumeist in anspruchsvollen literarischen Werken erhalten, die von der Kunstfertigkeit Einzelner und den Konventionen der Gattung geprägt sind, oder in der Vasenmalerei und anderen Formen der bildenden Kunst. In diesen Formen dienen mythologische Erzählungen oft nicht in erster Linie religiösen Zwecken, wie etwa der Unterhaltung und sogar der Komödie ("Die Frösche") oder der Erörterung sozialer Fragen ("Antigone").
Römische Mythen
Römische Mythen sind traditionelle Geschichten, die sich auf die legendären Ursprünge, religiösen Institutionen und moralischen Modelle des alten Roms beziehen, wobei der Schwerpunkt auf menschlichen Akteuren und nur gelegentlichem Eingreifen von Göttern liegt, aber ein allgegenwärtiges Gefühl eines göttlich geordneten Schicksals besteht. Römische Mythen stehen in einer dynamischen Beziehung zur römischen Geschichtsschreibung, wie in den frühen Büchern von Livys Ab urbe condita. Der berühmteste römische Mythos ist vielleicht die Geburt von Romulus und Remus und die Gründung der Stadt, in der der Brudermord als Ausdruck der langen Geschichte der politischen Spaltung der römischen Republik verstanden werden kann.
Renaissance
Mythographie ist die wissenschaftlich-philologische Sammlung und Interpretation von Mythen. Synkretisierte Versionen bilden die klassische Tradition der Mythographie, und zur Zeit des einflussreichen Renaissance-Mythographen Natalis Comes (16. Jahrhundert) wurden nur wenige oder gar keine Unterscheidungen zwischen griechischen und römischen Mythen gemacht. Die Mythen, wie sie in der Populärkultur des 20. und 21. Jahrhunderts auftauchen, haben oft nur noch eine tangentiale Beziehung zu den Geschichten, wie sie in der antiken griechischen und lateinischen Literatur erzählt werden.
Die Menschen der Renaissance, die sich in erster Linie mit den christlichen Lehren beschäftigten, haben die klassische Mythologie anhand der neu entdeckten antiken Quellen, die Autoren und Regisseure für Theaterstücke und Geschichten zur Nacherzählung dieser Mythen nutzten, neu entdeckt.
Viele Mythen der griechisch-römischen Antike weisen einen „Kern“ auf, der in einigen späteren gemeinsamen europäischen Volksmärchen auftaucht.
Literatur
- Gustav Schwab: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums (1954) — Episch!
- Hannelore Gärtner: Kleines Lexikon der griechischen und römischen Mythologie (1989)
- Herbert Hunger: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie (1959)