Chaos (altgriechisch: Kháos) ist in der altorientalischen und frühgriechischen Kosmologie der mythologische Zustand der Leere, der der Erschaffung des Universums (des Kosmos) vorausgeht. Er kann sich auch auf einen frühen Zustand des Kosmos beziehen, der aus nichts als undifferenzierter und ununterscheidbarer Materie besteht.

Etymologie

Griechisch kháos (χάος) bedeutet „Leere, weite Leere, Abgrund“, verwandt mit den Verben kháskō und khaínō „klaffen, weit offen sein', von proto-indoeuropäisch *ǵʰeh₂n-, verwandt mit altenglisch geanian, 'aufklaffen', daher englisch yawn.

Es kann auch den Raum, die Weite der Luft, den Abgrund oder die unendliche Dunkelheit bedeuten. Pherecydes von Syros (6. Jh. v. Chr.) interpretiert das Chaos als Wasser, als etwas Formloses, das differenziert werden kann.

Die Verwendung des Begriffs Chaos in der abgeleiteten Bedeutung von „völliger Unordnung oder Verwirrung“ taucht erstmals in der in der englischen Alltagssprache zu William Shakespeares (1564 – 1616) Lebzeiten auf und bedeutete ursprünglich eine satirische Übertreibung. In modernen naturwissenschaftlichen Theorien (Chaosforschung) meint die Bezeichnung hingegen die Unvorhersagbarkeit von Prozessen.
Die Bezeichnung "Chaot" wird in der Regel abwertend und polemisch verwendet. Im Alltag bezeichnet man damit meist einen sehr chaotischen (unordentlich, durcheinander, unübersichtlich) Zustand oder Person.

Antike

Der griechische Dichter Hesiod (ca. 700 v. Chr.) und die Vorsokratiker verwenden den griechischen Begriff im Zusammenhang mit der Kosmogonie. Hesiods Chaos wurde entweder als „die klaffende Leere über der Erde, die entsteht, wenn Erde und Himmel von ihrer ursprünglichen Einheit getrennt werden“ oder als „der klaffende Raum unter der Erde, auf dem die Erde ruht“ interpretiert.

In der Theogonie ist das Chaos der Urzustand der Welt. Es besitzt in diesem kosmogonischen Mythos Ähnlichkeit mit dem Nichts und der Leere. Kinder bzw. Abkömmlinge des Chaos bei Hesiod sind

  • Gaia (die Göttin der Erde)
  • Nyx (die Göttin der Finsternis, der Nacht)
  • Erebos (der Gott der Finsternis in der Unterwelt)
  • Tartaros (die "tiefste" Unterwelt, Ort und Person zugleich)
  • Eros (der Gott der Liebe)

Alle 5 Götter dieses Pantheons sind zeitgleich aus dem Chaos entstanden.

Seit dem deutschen Klassiker "Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit" (1894) des evangelischen Alttestamentler Hermann Gunkel haben verschiedene Historiker im Bereich der modernen Bibelwissenschaft das Thema des Chaos in der früheren babylonischen Kosmologie mit der Schöpfungserzählung der Genesis in Verbindung gebracht, neben der Genesis sind auch andere Bücher des Alten Testaments, insbesondere mehrere Psalmen, einige Passagen in Jesaja und Jeremia sowie das Buch Hiob von Bedeutung.

Ein Schwerpunkt liegt auf dem Begriff Abgrund (tohu wa-bohu) in Genesis 1,2. Der Begriff kann sich auf einen Zustand des Nichtseins vor der Schöpfung oder auf einen formlosen Zustand beziehen.

Im Buch Genesis bewegt sich der Geist Gottes auf der Wasseroberfläche und verdrängt den früheren Zustand des Universums, der mit einem „wässrigen Chaos“ verglichen wird, in dem choshek (aus dem Hebräischen übersetzt: Dunkelheit/Verwirrung) herrscht. Einige Wissenschaftler lehnen jedoch die Verbindung zwischen der biblischen Schöpfung und den Vorstellungen vom Chaos aus babylonischen und anderen (z. B. chinesischen) Mythen ab. Sie begründen dies damit, dass die Begriffe in Genesis 1:2 selbst semantisch nicht mit Chaos in Verbindung gebracht werden und dass der gesamte Kosmos in babylonischen, chinesischen und anderen Mythen in einem Zustand des Chaos existiert, während dies in der Genesis höchstens von der Erde gesagt werden kann.