Als Polis wird für gewöhnlich der typische Staatsverband (Stadtstaat) im antiken Griechenland bezeichnet.
Polis (Mehrzahl: Poleis). hat für die Griechen sowohl eine sozio-politische Bedeutung, eine sozio-geographische Bedeutung hatte und auch kann für eine Festung stehen. Diese drei Begriffe können im Altgriechischen wie folgt wiedergegeben werden: κοινωνία, koinônía, bürgerliche Gemeinschaft, ἄστυ, ástu, Stadt, und ἀκρόπολις, akrópolis, Festung.
Obwohl Polis manchmal mit „Stadtstaat“ übersetzt wird, kann dies zu Missverständnissen führen, da Stadtstaaten meist mit Hansestädten oder italienischen Stadtstaaten wie Venedig oder Genua assoziiert werden. Um Verwechslungen zu vermeiden, ist es daher besser, Polis unübersetzt zu lassen.
Diese Staatsform entstand aufgrund der stabileren Lage im antiken Griechenland nach den Unruhen um 1000 v. Chr. Der relative Frieden, der herrschte, der gegenseitige Handel und das Bevölkerungswachstum machten es notwendig, eine besser organisierte Staatsform zu entwickeln als die damalige Familiengesellschaft.
Im antiken Griechenland gab es eine große Anzahl von Poleis. Die bekanntesten waren Athen, Sparta, Korinth, Theben, Argos, Delphi, Olympia, Syrakus, Pergamon und Milet. Später wurde auch Rhodos zu einer wichtigen Polis.
Ursprung
Die ersten Poleis entstanden an der Küste Anatoliens, Kleinasiens, der heutigen Türkei, wo griechische Siedler zwischen 800 und 500 v. Chr. begannen, sich um einen städtischen Kern zu konzentrieren, um sich besser gegen mögliche Angriffe von Einheimischen zu verteidigen.
Dies lässt sich durch die geografische Vielfalt der Küste Anatoliens und des antiken Griechenlands erklären, die durch ihre gebirgige Umgebung, Berge und Buchten in kleine, natürliche Gebiete aufgeteilt war. Aufgrund dieser geografischen Vielfalt wuchsen mehrere, nahe beieinander liegende Siedlungen zu einem städtischen Zentrum zusammen. Diese Kolonien wurden apoikiai (Außensiedlung) genannt. Manchmal wurde eine Polis auch durch einen geplanten Zusammenschluss von Siedlungen zu einer politischen Einheit, einem Synoikismos, gebildet.
Während der hellenistischen Periode (323-30 v. Chr.) gründeten die hellenistischen Basileis (Titel mehrerer griechischer Herrscher) in ihren Reichen mehrere Poleis, die sie nach sich selbst oder nach Familienmitgliedern benannten. Der griechische Einfluss, der Hellenismus, wurde so im gesamten antiken Griechenland etabliert.
Merkmale
Die griechischen Poleis ähnelten sich im Aufbau:
- ein Stadtzentrum in der Mitte (Händler, Handwerker, Ärzte und Lehrer)
- umgeben von landwirtschaftlicher Fläche und Häusern (Bauern und Viehzüchter)
- eine Oberstadt (= Akropolis) mit Tempel, dort wurden den Göttern Opfer gebracht
- ein Marktplatz / Versammlungsplatz (= Agora; meist am Fuße der Akropolis)
Hätte man einen antiken Griechen gefragt, welche Nationalität er hat, hätte er geantwortet: "Ich bin Athener." oder auch: "Ich bin Bürger aus Chalkidike." Jede Polis war ein Stadtstaat.
Polis mit Akropolis (= Oberstadt)
Jede Polis strebte nach zwei Dingen: nach Unabhängigkeit, eleuthería, von anderen Polis und danach, dass ihre Souveränität, autónomía, von anderen Polis anerkannt wurde.
Eine Polis hatte nur eine geringe Ausdehnung, wobei der größte Teil vom Land und seinen Dörfern, chôra, eingenommen wurde. Der städtische Kern, ástu, Stadt, entwickelte sich um einen leicht zu verteidigenden Punkt, wie die Akropolis von Athen.
Die Polis war eine exklusive und autonome Gemeinschaft, die von ihren Bürgern gebildet wurde, koinônía tôn politôn, Gemeinschaft der Bürger, mit Betonung auf Bürger und Nicht-Bürger. So kannte man in Sparta die Spartiaten oder Homoioi, Gleichgestellte, die vollwertige spartanische Bürger waren, die Perioiker, Nachbarn, die freien Nichtbürger und schließlich die Heloten („die Eroberten, die Gefangenen“), Sklaven, die unfreien Nichtbürger. Zusammen bildeten die Homoioi und Perioiken den „Staat der Lakedaimonier“ (abgeleitet von deren mythischem Stammvater Lakedaimon).
Sowohl der Kult der Polisgötter als auch die Mythen um den legendären Gründer der Polis sowie die Kulte und Spiele zu seinen Ehren sollten den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken. Darüber hinaus waren im antiken griechischen Recht die Gesetze, nómoi, ein wichtiges Bindemittel zur Beilegung von Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaft.
Eine Polis bildete ein untrennbares Ganzes aus der Stadt, der astu, und ihrem Territorium, der chora, die den Raum für ihre Bürger darstellte. Dieser Raum lässt sich unterteilen in eine städtische Umgebung, die Agora oder Akropolis, vergleichbar mit dem Forum und dem Kapitol, und eine ländliche Umgebung mit kultiviertem und brachliegendem Land, innerhalb derer sich Heiligtümer in der Astu, der Chora und an den Grenzen der Polis befanden.
Die Stellung der Frauen in den Poleis variierte stark. In einigen Poleis, darunter Sparta, genossen sie große Freiheiten, während sie in anderen, darunter Athen, in ihrer Freiheit beschnitten wurden. Die Aufgabe der Frau war es, den Oikos, den Haushalt, zu führen, d. h. die Sklaven zu beaufsichtigen.
Proxenos
Ein Proxenos (wörtl.: „für den Fremden“, von altgriech. πρόξενος) war im antiken Griechenland ein Bürger, der in seiner Stadt die Interessen einer anderen vertrat (in manchem vergleichbar einem modernen Honorarkonsul).
Nicht jeder Bürger blieb in seiner eigenen Polis; viele zogen durch Griechenland von Ort zu Ort. Einige ließen sich sogar für kurze oder längere Zeit in fremden Städten nieder. In den frühesten Zeiten kannten die Menschen nur die religiöse Pflicht der xenia, der Gastfreundschaft, zwischen befreundeten oikoi, Häusern. Hier war es der xenos, der Gastfreund, der den Fremden in seiner eigenen Polis aufnahm, für seine Unterkunft sorgte und ihn mit anderen Lebensmitteln versorgte. Da nicht jeder Reisende in den Genuss dieser Xenien kommen konnte, wurde eine Art Abkommen geschlossen: die Proxenia. Der Proxenos war dann derjenige, der dafür sorgte, dass die Bürger der Poleis, deren Proxenos er war, ohne Probleme in der Stadt bleiben konnten.
Die Proxeny-Dekrete wurden von einer Polis an einen Bürger einer anderen Polis für den Dienst als Proxenos ausgestellt. Er fungierte dann als Interessenvertreter der sich um die Belange der Bürger der anderen Polis Kümmerte.
Für sein Amt erhielt er vom Staat keine Bezahlung. Er genoss stattdessen einige Privilegien und profitierte vielleicht auch bei Geschäftsbeziehungen. Vornehmlicher Aspekt aber war die Ehre, die mit der Ausübung des Amtes verbunden war.
So war beispielsweise Kimon, aus dem alten Geschlecht der Philaiden, Spartas Proxenos in Athen. Er setzte sich in seiner Zeit als prominenter Vertreter der athenischen Politik vor dem Ausbruch des Ersten Peloponnesischen Krieges nachdrücklich für eine Politik der Zusammenarbeit zwischen den beiden Stadtstaaten ein. Kimon war bekannt dafür, dass er Sparta so sehr mochte, dass er einen seiner Söhne Lacedaemonius nannte (da Sparta in der Antike als Lacedaemon bekannt war).
Ein gängiger Ausdruck war auch "euergetes" (Wohltäter). Diese Funktion entwickelte sich seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. aus privaten Gastfreundschaften.